Quantcast
Channel: Brainstorming the Bastille » Wahlkampf
Viewing all articles
Browse latest Browse all 5

Politics for the masses? Power to the people!

$
0
0

So vielleicht bin ich jetzt wieder zur Besinnung gekommen, hatte wohl einen echt schlechten Tag gestern erwischt und mich über meinen Frust über den Wiener Wahlkampf und die sogenannten “Elefantenrunden” auf ORF und insbesondere ATV hier, hier und hier in teilweise unpassender Form… nun sagen wirs mal nobler als es war: “beschwert”. Die Debatte ist mir aber wichtig und sie läuft – für mich – am Punkt vorbei, deshalb dieser Beitrag.


(Foto Credits to tambako according Creative Commons BY-ND 2.0)

Die Debatte bewegt sich zwischen den Polen “Politics for the Intellectuals” (samt TV Formaten) und “Politics for the masses” (samt TV Formaten). Dann wird gesagt “Beides soll und darf doch wohl immer und jederzeit stattfinden”. JA! Wobei ich meinen würde, dass Politik – dort, wo sie Bewegungsenergie entfalten will – eigentlich immer “for the masses” ist und sein muss. Und dann wird weitergefragt (ähnliche Stossrichtung): “Darf” Politik bitteschön nur noch fad sein? NEIN! Sie soll interessant für alle sein. Was ein Format wie jenes von ATV uns allen vor Augen führt, ist, dass Politik nur noch dann interessant ist, wenn sie als Rhetorikboxkampf inszeniert wird. Mein “Vorschlag” daher: beim nächsten Mal könnte man Häupl und Strache mit Kapuze über dem Kopf und entsprechender Beschallung (”We are the champions”, Hazeh Rap etc) zum “Duell” in die Wiener Stadthalle einziehen lassen: Let’s get ready to rumble!

Ja, ich weiss: man ist ganz ganz schnell im Eck des Spielverderbers, wenn man eine Riesenhetz ein bissl kritisiert. Daher muss ich ganz klar herausarbeiten: 1. ATV hat wenig “falsch” gemacht, sondern im Gegenteil so einiges richtig, 2. Lasst uns darüber nachdenken, ob “reflektierende, nachdenkliche Politik” “for the masses” interessant gemacht werden kann. Bzw. auch darüber, warum nicht.

ATV ist es durch direkte Fragen, prägnante Zuspielungen und beharrlichem Bestehen auf Antworten ein stückweit gelungen mehr aus den klare Aussagen scheuenden Politikern “herauszubringen”, als es den faden ORF Formaten gelingt. Auch deshalb, so meine Ansicht, weil ATV sich weniger direkt vor diesen Politikern fürchten muss und nicht gesetzlich zur (parteikontrollierten) “Objektivität” verpflichtet ist, sondern zu einer von seinem Publikum subjektiv ohnehin erwarteten Fairness. Das erlaubt mehr Flexibilität, dem Strache einmal einen Muslim mit breitem Wiener Dialekt vorzuführen oder den Häupl aufzeigen zu lassen, dass er die Wiener Schulen eh völlig super findet (im wahrsten Sinn des Wortes “aufzeigen”!). ATV hat insofern richtig gute, innovative Elemente reingebracht und das soll man auch anerkennen. Was meiner Ansicht völliger Blödsinn ist und mich soweit zum Rasen gebracht hat, dass ich in der Mitte abdrehen musste (ich hab mir den Rest dann gestern angesehen): dieses Parteisoldatenpublikum. DAS IST bitteschön NICHT ÖSTERREICH. Hätte man vor einem Publikum von österreichischen Nicht- und Wechselwählern gesprochen (dem für Politiker einzig relevanten Publikum in einem Wahlkampf), wäre auch ein völlig anderes, nicht prognostizierbares Klima entstanden.

Das andere Thema: WARUM sind Politiker nur noch dann interessant, wenn sie in einer Art Rhetorikwettbewerb auftreten? Wenn es weniger um die Inhalte als solche geht, sondern mehr darum, wer den nächsten “Punkt” macht? Das ist eine völlig andere Frage, eine für die ATV schon gar nicht “an die Wand genagelt” werden darf, weil es nämlich nichts anderes tut, als auf einen real existierenden Zustand so professionell als eben möglich zu reagieren: Politik holt einfach niemand mehr hinter dem Ofen hervor, schon gar keine Nichtwähler, die es sich dort hinten schon seit Jahren gemütlich machen. Aber muss das so sein? Ich bin fest überzeugt: Nein! Allerdings greift es viel zu kurz, wenn wir uns weiter und immer weiter über “die Politiker” beklagen und stossseufzend (”Wir haben halt keine Besseren”) zur Tagesordnung übergehen oder erwarten, dass diese irgendwann wieder “dazulernen” werden. Es ist nicht “Bad Luck”, dass unsere Politiker “so fad sind, wie sie eben sind”! Es ist auch nur zu einem Teil wahr, dass diese Politiker eben die sind, die wir uns verdient haben, weil wir Ösis nun mal so ticken wie wir ticken! Für mich wahr ist: Menschen investieren Zeit in Dinge, die a. ihr eigenes Leben betreffen und die sie b. wirklich glauben beeinflussen zu können.

Und vor allem an Punkt b. hakts in Ö. Wir glauben nicht mehr daran, dass wir viel beeinflussen können. Wir wählen alle paar Jahre eine von vier oder fünf Parteien. Gut und schön. Wer konkret was wird? Intern ausgemauschelt. Wer was wie genau finanziert? Muss geheim bleiben. Umreihung der Kandidaten über Vorzugsstimmen? Naja, mach ma so, dass nix passiert. Neue Parteien? Da machen wir die Hürden so hoch, dass sie niemand schafft. Inhalte? Gibt meistens eh die EU irgendwie vor. Wahlen? Ja muss sein, aber bitte so selten als möglich.

Im Wahlkampf reden wir dann über zig Themen. Das wichtigste für Politiker: nur nix Falsches sagen, niemand verschrecken, dabei so tun als obs um Inhalte ginge. Wahlen halt. Politik mach ma später. (Vielleicht.) Wähler wechseln also hin und her und jeder fühlt: am Ende des Tages kommt irgendwie dasselbe raus wie vorher – und jedesmal vertrollen sich ein paar mehr. Aber “offenbar” wollen die Wähler das eben so, sagen wir dann. Nein, wollen sie nicht. Sie sind ebenso wie unsere Politiker Gefangene eines demokratisch sein wollenden Systems des ausgehenden 19. Jahrhunderts, das der Ausdifferenzierung, der Pluralität und dem Bildungsniveau unserer Gesellschaft des 21. jahrhunderts nicht mehr genügt. Aber das ist eine andere Geschichte, die für heute zu lang ist, und an der wir wohl auch noch länger knabbern werden müssen.

Wir müssen aber beginnen uns ernsthaft mit ihr auseinanderzusetzen. Ich wage eine Prognose, tu ich selten genug: jene politische Bewegung, die in der Lage ist, diese im 21. Jahrhundert notwendig werdende Demokratisierung und Durchlüftung unserer politischen Systeme zu konzipieren, zu kommunizieren und glaubwürdig und nachhaltig für sie zu einzutreten, wird für eine Generation lang abräumen. Freiwillige bitte vortreten.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 5

Latest Images

Trending Articles





Latest Images